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Lilavendel St.Gallen

Geben meine Kleider Mikroplastik ab? Und worauf achte ich, um dies zu vermeiden?

Um diesen Fragen nachzugeben, haben wir einen Naturwissenschaftler um seine Stellungnahme gebeten. Lesen Sie unseren Blog. Es lohnt, der Umwelt zuliebe!


Etwas Textilien Materialkunde

Textilien (Stoff, Kleider, Gewebe) bestehen aus verwobenen Zwirnen. Diese wiederum bestehen aus ineinandergedrehten Fasern der Natur wie Baumwolle, Lein, Bambus…(pflanzlich) oder Wolle, Seide (tierisch) oder sind vom Menschen gemacht [i] (Polyester, Polypropylene, …). Dazwischen gibt es einige mengenmässig weniger wichtige Fasern/Textilien, die zwar aus der natürlichen Cellulosefasern, aber durch synthetische Veränderung gemacht werden.


Favoriten für die heutige Kleidung und deren Gebrauch sind klar die pflanzliche Baumwolle (natürlich) und Polyester (synthetisch).



Die ersten vom Menschen für Kleidung verwendeten Fasern stammten wohl von Tieren (Felle, Wolle). Die letzten 500 Jahre sind jedoch geprägt durch die Verwendung von Naturfasern, die von Pflanzen durch Photosynthese aus CO2 und Sonnenlicht gebildet werden und aus Ketten von Polyzuckern (Cellulose) bestehen. Die daraus gefertigten Textilien sind somit im eigentlichen Sinne «nachhaltig & erneuerbar». Auch deren Recycling und Abbau ist in der Natur seit Jahrmillionen etabliert und voll kompatibel. Mit wachsendem Einfluss der Wissenschaft (und ganz entscheidend der Chemie) wurden dann Naturfasern in immer stärkerer Art chemisch verändert und für ihre Verwendung optimiert. Dazu gehörten färben, bleichen, glätten, aufbringen von Appreturen usw. Die letzten 100 Jahre waren geprägt von der Anbindung neuer chemischer Gruppen an die Grundstruktur der Cellulose (Viskose, Acetat-Fasern) und schliesslich in den letzten 70 Jahren die rein synthetische Herstellung von Fasern ohne «Polyzucker» Grundgerüst, auch genannt «Chemiefasern» (Trevira, Dacron, Diolen, Lycra, Elastan… und anderer Handelsnamen). Von diesen Chemiefasern sticht heute mengenmässig Polyethlenterephtalat (PET) hervor und hat Polyamidfasern (Nylon) und Polyacrylnitrilfasern (Dralon) hinter sich gelassen.


Die Chemiefasern können im Gegensatz zu den Naturfasern bezüglich Dicke (bis runter zu 1/60 der Dicke eines Haares!!) und Länge, sowie bezüglich ihrer «Kräuselung» fast beliebig hergestellt werden. Die außerordentliche Feinheit solcher Chemiefasern bewirkt, dass ein Textil aus Microfasern sich nicht nur geschmeidig und weich anfühlt, sondern auch einen leicht fließenden Fall, eine ausgezeichnete Knitterarmut, eine hohe Pflegeleichtigkeit, eine problemlose Bügelfreiheit und einen eleganten Seidenglanz aufweist.


Für die nachfolgenden Gedanken wollen wir uns zunächst auf die «Leader» Baumwolle für die Naturfasern und bei den Chemiefasern auf Polyester (insbesondere PET) beschränken.


Textilien und Ökologie

Als Verwender von Textilien sollten wir uns klar sein über die Herkunft der Rohstoffe, die Herstellung der Faser, des Gewebes und der Kleidung, deren Effekte durch das Tragen/Waschen, sowie deren Vernichtung/Recycling. Wir wollen dies anhand von Baumwolle und PET im folgenden Flussdiagramm tun und beschreiben, was es in den einzelnen Schritten bezüglich Ökologie[ii] zu bedenken gibt.



Diskussion und Bemerkungen:

Zu 1: Baumwolle gehört zu den erneuerbaren Rohstoffen. Obwohl der Anbau intensiv ist (hoher Wasser-, Düngemittel-, Pestizideinsatz) und im Wesentlichen in Zweit- und Drittweltländern stattfindet, kann vom Prinzip her, Baumwolle als «ökologischer» Textilrohstoff bezeichnet werden. Die verschiedenen Textillabels für zertifizierte Baumwolle und daraus hergestellte Artikel zeichnen die Ware allerdings nach ganz unterschiedlichen Kriterien aus. Man tut gut daran, seinen Kauf nach einem anerkannt hohen Standard zu beurteilen, der sowohl Anbau und Verarbeitung, soziale und ökologische Komponenten beinhaltet.[i]

Im Gegensatz dazu werden Polyester Fasern aus Erdöl durch Syntheseverfahren hergestellt, und sind somit nicht zu den erneuerbaren Rohstoffen zu zählen. Ausserdem liegt die Herstellung in den Händen weniger grosser Konzerne.


Zu 2: Baumwolle fällt je nach Sorte, Variation des Klimas in der Vegetationsperiode und anderer Einflussfaktoren in unterschiedlicher Qualität an. Sie muss daher selektiert und bewertet werden und ist damit von der Beurteilung erfahrener Fachleute abhängig.

Ganz anders die Polyesterfaser: Sie kann nach standardisierten Verfahren (definierte Synthese und chemische Zusammensetzung, spinnen, verformen, strecken, färben) in immer gleicher Art und mit gleichen Ergebnissen bezüglich Faserdicke, Faserlänge, Oberfläche, Querschnitt, mechanischer Daten, Farbe usw. reproduziert werden.


Zu 3: Je nach den gewünschten Eigenschaften des Zwirns und damit auch der Eigenschaften des Gewebes können sowohl Fasern von Baumwolle (in bestimmten engen Grenzen z.B. der Länge) und von Polyester (mit grosser Variabilität von Länge, Dicke und Querschnitt!) selektiert werden.


Zu 4: Die Baumwolle liefert immer nur Einzel-Fasern von 20-40 mm, die zudem selbst abgeflacht, gedreht und innen hohl sind. Im Gegensatz dazu kann die Einzel-Polyesterfaser sowohl endlos oder in beliebiger Länge, Dicke und Querschnitt, glatt oder gekräuselt hergestellt werden. Die Festigkeit oder auch das Ausfasern (in den späteren Schritten) des aus vielen Einzelfasern gedrehten Zwirns kann somit recht unterschiedlich sein.

Besonders verlockend ist es so, dem Zwirn aus Baumwollfasern einen inneren Kern von Polyesterfasern zur Verstärkung mitzugeben, um damit die Festigkeit zu erhöhen und gleichzeitig den haptischen Effekt von reiner Baumwolle zu erhalten. Auf diese Art entstehen Mischgewebe.


Zu 5: Während des Webens, aber auch im Gewebe selbst, bietet ein Zusatz von Polyester zu Baumwolle Vorteile, wie zum Beispiel erhöhte Festigkeit oder Elastizität.

Reine Polyester Gewebe sind für Kleidung etwas weniger verbreitet als Mischgewebe, obwohl sich diese «Ein-Stoff-Gewebe» eigentlich später besser und vor allem einfacher recyclieren liessen. Denn beim Recycling von Mischgeweben stört die Baumwolle und muss zuerst abgebaut und minimiert werden. Dennoch, gerade auch reine Polyestergewebe setzen viel Mikroplastik beim Waschvorgang frei (siehe Pt. 7)


Zu 6: Mode ist ein Anreiz, häufiger neue Kleider zu kaufen und das Kleidungsstück längst vor der akzeptablen Einbusse an Eigenschaften des Gewebes selbst zu «entsorgen». Dass dieser Vorgang aus persönlicher Sicht zwar «Entsorgung» genannt wird, aber nicht unbedingt eine Entsorgung im Gewissen unser Aller ist, versucht dieser Blog darzustellen.[ii]


Zu 7: Das Waschen von Kleidern / Textilien führt zu Verlusten von Einzelfasern. Dies äussert sich mit der Zeit in geringerem Gewicht des Kleidungsstückes und geringerer Dichte des Gewebes. Der Effekt ist bei den ersten Waschgängen deutlich höher wie bei späteren Waschgängen. Es ist somit sinnvoller, Textilien länger zu verwenden – und weniger häufig zu waschen. Einmalgebrauch /Tagesgebrauch zwischen den Waschgängen verursacht somit nicht nur durch hohen Waschmittelverbrauch, Wasser, Energie ein ökologisches Problem, sondern auch durch Mikroplastik! [iii] [iv]


(Diesen Satz haben Sie vermutlich noch nie von Herstellern von Textilien, Waschmittel- oder Waschmaschinenherstellern gehört. Er ist dafür zu plausibel und umsatzschädigend. Dafür ist er aus ökologischer Sicht bedenkenswert! Und auch Hautärzte dürften mir durchaus zustimmen!)


Zu 8: Recycling ist aus Sicht der Ökonomie und des Erhalts der Qualität der Fasern eigentlich nur von «Ein-Stoff Textilien» sinnvoll machbar. Dies meint nicht nur den Ausschluss von Mischgeweben, sondern auch, dass Gewebe/Fasern eigentlich nach der Art der chemischen Zusammensetzung sortiert werden sollten. Obwohl auf einem Bekleidungsstück die Zusammensetzung angegeben ist, ist ein Sortieren auch der «Ein-Stoff-Textilien» wegen der Vielfalt der Markennamen / chemischen Komposition kompliziert, zeitraubend und aufwändig. So ist als Konsequenz bei einem Gemenge von verschiedenen Recycling-Polymeren eine hohe Variabilität der Qualität und ein prinzipieller «Down-grade» zu erwarten. Und dies hat ökonomische Konsequenzen. Hingegen ist das Recyclen von «grosstückigem PET» in neue PET-Textilfasern auf gutem Weg.


Textilien und Mikroplastik in der Umwelt

Als Mikroplastik gelten menschengemachte Polymerteilchen unter 5000 my (5mm) Durchmesser. [i]


Es ist unbestritten, und durch die oben dargestellten Fakten einleuchtend, dass die heute in der Umwelt – insbesondere als Schwebeteilchen in Gewässern- messbaren Mikroplastikteilchen zu einem hohen Anteil aus Textilien stammen. Dabei ist insbesondere relevant, dass Polyester Fasern bereits sehr fein sind und somit nur in der Länge gebrochen / zersetzt werden müssen um Mikroplastik zu werden! Das schliesst aber nicht aus, dass andere grobteiligere Kunststoff Quellen (Plastikflaschen, Folien, Säcke) durch Licht, Reibung und Mikroorganismen in den nächsten 20-100 Jahren wesentliche zusätzliche Lasten zu dem heute geschätzten Verursacher-Anteil von 30% durch Textilien verursachen.


Auch wenn wir als Verbraucher von Textilien die daraus entstehende Gewässerverschmutzung durch Mikroplastik zu ca. 30% verursachen, insgesamt liegen die dominanten Quellen von Mikroplastik (in fester Umgebung wie Erde, Ablagerungen usw.) bei bisher wenig kritisierten menschlichen Aktivitäten, nämlich dem Verkehr (am Boden). Und das wird leider auch so bleiben, wenn Elektrizität oder Wasserstoff die Energie für den privaten Verkehr liefern werden Leider!


Quelle: Fraunhofer UMSICHT 2018


Anders dargestellt: Der Verkehr in der heutigen Form ist für 64% des anfallenden Mikroplastik in Deutschland verantwortlich (Daten der obigen Graphik in Kuchendiagramm dargestellt)


Unserer Kleidung

Das Tragen von Textilien verursacht durch Reibung eine Loslösung von Einzelfasern aus dem Gewebe, dem Zwirn. Diese können wir leicht auch im Hausstaub unter dem Mikroskop charakterisieren. Diese Partikel in einer Umgebung von weiteren festen Partikeln lässt sich allerdings nicht so leicht messen und charakterisieren. Und über das Schicksal der Partikel (ausser wenn verbrannt) kann momentan nur gemutmasst werden.


Eine weitere Loslösung von Fasern geschieht beim Waschen. Dabei gehen Fasern / Bruchstücke von Fasern in die «wässrige» Welt von Bach, Seen, Meeren. (Kläranlagen gibt es ja noch nicht an allen Ecken der Welt!) Dort werden sie -zumindest bevor sie sich ablagern können- gut messbar und sagen durchaus etwas aus über die Einflüsse unseres «Bekleidungsverhaltens».


Sowohl in festen Ablagerungen als auch als Schwebeteilchen in Wasser ist Mikroplastik wegen ihrer Künstlichkeit und Vielgestaltigkeit der chemischen Zusammensetzung durch Pilze, Bakterien, Pflanzen und andern Lebewesen schlecht bis gar nicht angreifbar/zerlegbar. Auch fehlt ab einer gewissen Untergrenzen an Partikelgrösse die Reibung und in Ablagerungen das UV-Licht, welche die Mikroteilchen bis zur Molekül-Bruchstücken abbauen könnten. Und so ist davon auszugehen, dass diese Verschmutzungen über lange Zeit erhalten bleiben.


Zwar sind Polyester im Vergleich zu PVC, PE, PP durch Polyesterasen von Bakterien und Pilzen etwas leichter angreifbar und stellen einen potentiellen, «kleinen» Ausweg aus der Problematik «Plastikmüll» dar. Aber es ist sicher heute noch zu früh darauf voll zu vertrauen! [i]

Bedenken wir: Baumwolle ist als «Bio-Polysaccharid» völlig unproblematisch bezüglich Plastikmüll/Mikroplastik und führt in der Umwelt zu keinen Problemen!


Somit ist also der Zusatz von Polyester zu Baumwolle als ökologisches Problem zu bezeichnen und sollte wo immer möglich vermieden werden. Auch hier haben Sie als Konsument die Wahl (siehe obligatorische Bezeichnung der Stoffe und Textilien auf dem Etikett!)

Neben der Angabe der Zusammensetzung der Gewebe ist oftmals ein Umweltlabel (hier GOTS (in der Mitte)) angegeben. Textilien mit 100% Baumwolle sind aus ökologischer Sicht vorzuziehen. Die mechanische Qualität des Kleidungsstückes ist davon nicht direkt abhängig!


 

Fazit: Umweltgerechtes Handeln in Bezug auf Textilien (in Kurzform)

  • Zusammensetzung der Textilien VOR KAUF beachten; Mischgewebe und Kunstfasern meiden (wenn mal gekauft, bleibt das Problem für Jahre!)

  • Ökostandards beachten und nur den höchsten vertrauen, allenfalls rückfragen (siehe Link iii)

  • Häufig Waschen vermeiden, aber Textilstück lange gebrauchen.

  • Waschtipps befolgen (z.B. gem. Link iv)

  • Secondhand Gebrauch anstreben

  • Mischgewebe verbrennen / Reine Synthetikgewebe recyceln lassen

  • Sichere und vollständige Entsorgung durch zuverlässige Entsorgerstellen fordern

 

Danke, dass Du uns bis hierher gefolgt bist!


Wir hoffen, LILAVENDEL konnte Dir einen wichtigen ökologischen Zusammenhang aufzeigen. Allerdings, diese Do’s and Dont’s konsequent zu befolgen ist nicht ganz einfach! Aber erkennen ist bekanntlich der erste Schritt zum Handeln.



 

Impressum

23.7.2021 / Erich R. Brocker, Dr.sc.nat. ETH

Der Inhalt widerspiegelt den Sachverhalt auf der Basis von diversen, teils hier zitierten ähnlichen Blogs, wissenschaftlichen Studien, sowie persönlichen Schlussfolgerungen und Ansichten. Es wurde aus Gründen des Umfangs des Sachgebietes, der leichten Erreichbarkeit und der Lesbarkeit von www Zitaten verzichtet, zusätzlich auch noch Zitate von einzelnen Forschungsarbeiten und Originalartikeln widerzugeben.

 


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